Führung, aber anders gedacht

LEODON zitiert im LEADER MAGAZIN

Vielen Dank an das LEADER MAGAZIN von SWISS LEADERS für die Erwähnung im Beitrag zu den Themen „Führung, aber anders gedacht“: Fremdbestimmte Krisen, Managementlücken und Generation Z.

Thomas Gygax

Führung, aber anders gedacht

LEADER MAGAZIN vom 23.06.2025

Schwindende Lust auf traditionelle Führungskarrieren ist keine Frage der Generation. Die Jungen haben ganz einfach weniger Hemmungen, das Problem beim Namen zu nennen. «Conscious Unbossing» findet quer über alle Altersgruppen statt. In ganz neuen Arbeitswelten braucht es eben auch ganz neue Motivation für Führungspositionen.

Susanne Wagner

Unsere Arbeitswelt wird gerade komplett umgepflügt. Die rasende technische Entwicklung und die Globalisierung machen den Wandel ganzer Industrien zur Norm: Veränderung ist die neue Konstante. Damit ist auch die Vorgabe der letzten Generationen in Auflösung begriffen, wonach eine Karriere am Punkt A beginnt und am Punkt B, ein paar Hierarchiestufen weiter oben, abgeschlossen wird. Diese Linie hat sich aufgelöst und besteht jetzt vielleicht aus einer gestrichelten Kurve mit Stationen hier, dort und ganz woanders: in einem anderen Beruf, mal oben, mal unten und dazwischen gern auch in Teilzeit.

«Boss» zu werden, ist nicht mehr das erste Ziel. Selbstbewusste junge Arbeitskräfte pflegen ein «Conscious Unbossing». Gravierende Auswirkungen, dämmert es nun vielen Arbeitgebenden, wird das nicht nur auf dem Arbeitsmarkt haben, sondern auch auf die Führungsstrukturen der Zukunft. Früher rekrutierten sich die Topleute für die Teppichetage von morgen aus dem mittleren Kader von heute. Wenn Führungspositionen aber keine natürlichen Stufen einer Karriereentwicklung mehr sind, sondern temporäre Rollen im Leben von Menschen, die sich ihre Aufgaben in passende Phasen einteilen, dann kommt das traditionelle System durcheinander. Es lohnt sich daher auf allen Hierarchiestufen, über flexiblere Arbeitszeitmodelle oder alternative Führungsmodelle wie zum Beispiel geteilte Führungskompetenzen nachzudenken.

Doch was ist faktisch dran an der Annahme, dass die Jungen nicht mehr führen wollen? Bereits letztes Jahr haben verschiedene Untersuchungen ergeben, dass immer weniger junge Menschen das klassische Karrieretreppchen hochsteigen wollen. Im Rahmen des Young Professional Attraction Index (YPAI) 2024 wurden 1300 junge Berufstätige befragt. Die Umfrage geht jährlich der Frage nach, was jungen Berufstätigen am Arbeitsplatz wichtig ist. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass in Deutschland nur wenige junge Menschen Führungsrollen übernehmen möchten.

Andere Führungsrollen sind durchaus begehrt

Vor allem die Position des mittleren Managements wird von 69 Prozent – der grossen Mehrheit der jungen Menschen – als zu stressig und die Bezahlung als zu unzureichend empfunden, als dass die gestiegene Verantwortung damit kompensiert werden könnte. Zu diesem Schluss kam die Studie des internationalen Personalspezialisten Robert Walters. Diese Tendenz ist umso brisanter, als gleichzeitig die ältere Generation der Babyboomer nach und nach in den Ruhestand wechselt. Der Traum vom Aufstieg zum Leader oder zur Chefin scheint nicht mehr im Vordergrund zu stehen. Von Statussymbolen und hohen Löhnen lassen sich die zwischen 1995 und 2009 Geborenen nicht mehr beeindrucken. Die Gen Z wird vom grossen Wunsch getrieben, selbstständig und an eigenen Projekten zu arbeiten.

Es ist aber viel mehr als dieser Wertewandel: Viele Junge wünschen sich mehr Zeit für sich und ihre persönlichen Interessen. Sie setzen klare Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit und sind nicht ständig erreichbar. Dass der alleinige Fokus auf die Karriere nicht glücklich macht, haben sie bei ihren Eltern gesehen. «Viele junge Menschen sind der Ansicht, dass die heutige Wirtschaft Verhaltensweisen belohnt, die dem Planeten oder den Menschen schaden», erklärt Elodie Gentina, Professorin an der IÉSEG School of Management. Sie hält in Unternehmen Referate zu den Themen Management der Generation Z und generationenübergreifendes Management. «Die Generation Z sucht nach einem Management, das mit ihren Werten übereinstimmt, die sich auf CSR (Corporate Social Responsibility) konzentrieren – Inklusion und Vielfalt», so Gentina.

Der Trend zum «Conscious Unbossing» bedeutet also nicht unbedingt, dass junge Menschen insgesamt keine Manager sein wollen, sondern vielmehr, dass sie es auf andere Weise sein wollen. Wenn sie mit Managerinnen und Managern konfrontiert sind, die nicht zu ihnen passen, wollen sie nicht so werden wie sie. Elodie Gentina: «Sie sehen auch, wie sehr sich diese mittleren Führungskräfte abmühen können, und sind daher nicht motiviert, ihren Platz einzunehmen.»

Keine fremdbestimmten Krisen managen

Ähnlich sieht es Thomas Gygax, der sich mit der Beratungsfirma LEODON auf das Thema Gen Z und Führung spezialisiert hat. Er glaubt keineswegs, dass die junge Generation generell Verantwortung ablehnt – sondern bestimmte Arten von Verantwortung: «Macht um der Macht willen, 60-Stunden-Wochen und Statussymbole ziehen nicht mehr. Wenn Führung bedeutet, fremdbestimmte Krisen zu managen und dauererreichbar zu sein – ohne Sinn und ohne echte Gestaltungsmöglichkeiten –, dann sagt die Gen Z ‹Nein danke!›.»

Sind Sinn und diese Gestaltung hingegen vorhanden, können sie die Jungen auch motivieren, Führungsaufgaben zu übernehmen. Wie zum Beispiel den 26-jährigen Jannis A. Strauss, der vor einem Jahr zum stellvertretenden Leiter des Distributionsgebiets Biel bei der Post gewählt worden ist. Er verantwortet die Logistik sowie die gemischte Brief- und Paketzustellung im Grossraum Biel mit über 300 Mitarbeitenden. «Bei der Post habe ich die wertvolle Chance erhalten, nach der Kaderschule der Armee früh Verantwortung zu übernehmen», sagt Strauss.

Ebenfalls jung, mit 25 Jahren, erhielt Patrick Bühlmann bei der Post die Möglichkeit, als Operation Stability Manager erstmals fachliche Verantwortung zu übernehmen. Heute leitet der 27-Jährige das IT-Fachteam im Bereich Digital Health.

Die technische Affinität, die Kreativität und die Innovation sind für Felipe Smura die wichtigsten Argumente, die für seine eigene Generation sprechen. Der 23-Jährige hat als Direktor des Hotels Royal in Luzern bereits einige Digitalisierungsprojekte umgesetzt und plant noch mehr. Zur Frage, warum viele Kolleginnen und Kollegen seines Alters keine Lust auf Führungsaufgaben verspüren, meint er: «Heute sehen die Jungen auf den sozialen Netzwerken ganz andere Berufe als früher, zum Beispiel ‹Influencer›. Sie geben ihnen das Gefühl, es sei ganz einfach, Erfolg zu haben und reich zu werden» (vgl. Interview).

Doch ist das nicht ebenso ein Klischee wie die Annahme, dass die Gen-Z-Exponenten nicht mehr führen wollen? Die Führungsunlust der Jungen «ist eine zeitgeistige Beobachtung und sie wird zu einem Narrativ, das sich durch Wiederholung zu bestätigen scheint – eine Art selbst erfüllende Prophezeiung», bemerkte der deutsche Wirtschaftspsychologe Jörg Felfe in einem Interview mit der «Wirtschaftswoche» schon vor zwei Jahren.

Gute Führung vorgelebt

Die für diesen Artikel angefragten Schweizer Unternehmen haben bereits vieles in die Wege geleitet, um ihre Jüngsten auf ihrem Weg in die Vorgesetztenpositionen zu begleiten. Die SBB zum Beispiel bieten neben dem Talentprogramm «Starters» Arbeitsformen wie Co-Leitungen sowie Tandems aus erfahrenen Führungskräften an – ebenso das Programm «Female Empowerment» für junge Frauen, die sich für Führungspositionen interessieren. Darin erhalten sie Inputs zu ihrer Laufbahnplanung und zu Selbstkompetenzen, und sie können sich mit erfahrenen Führungsfrauen austauschen.

Ramona Koch hat diese Chance gepackt. Die studierte Mathematikerin arbeitete als Fachspezialistin Fahrdynamik bei den SBB und erhielt immer wieder positives Feedback, dass sie mit ihren Fähigkeiten eine gute Führungsperson werden könne. «Ich hatte auf meiner bisherigen beruflichen Reise einige, auch junge Chef*innen, die mir eine gute Führung vorgelebt haben», sagt die 29-Jährige. Seit zwei Monaten ist sie nun Teamleiterin Auszubildende im Bereich Sicherungsanlagen. «Natürlich ist bei einem Wechsel der Führungskraft auch immer eine gewisse Skepsis vorhanden, der ich mit fachlicher Kompetenz, offener Kommunikation und aktivem Zuhören begegne», betont Ramona Koch. Viele Mitarbeitende sehen in ihr eine Person, die sie dabei begleitet, Entwicklungen und Veränderungen positiv zu begegnen und sich von alten Mustern zu verabschieden. Ramona Koch ist der Überzeugung, dass in einem diversen Team die Ansprüche an eine Führungskraft genauso unterschiedlich wie die Menschen sind – «darauf lasse ich mich unvoreingenommen ein».

Ganz andere Weltsicht

Was die Unternehmen bei der Förderung des Nachwuchses nicht vergessen dürfen, ist deren andere Sicht auf die Welt. «Die Generation Z hat keinen langfristigen Karriereplan mehr. Anstatt die Karriereleiter hochzuklettern, wird sie versuchen, abwechselnd Verantwortung zu übernehmen sowie Mikro-Rückzüge, also Pausen, Felderfahrungen und parallele Engagements zu machen», sagt Gen-Z-Expertin Elodie Gentina. Sie hält fest, dass die Jungen selbst keinen Chef oder keine Chefin mehr wünschen, sondern eher einen Coach bzw. eine Coachin. Denn die Generation sei in eine Welt hineingeboren worden, in der Autoritätsfiguren oft infrage gestellt würden: «Sie haben Lust auf Autorität durch Kompetenz und Werte, nicht durch Titel und Status.»

Ein gutes Beispiel dafür ist die junge Führungskraft Anna Jörgens, die beim Detailhändler Aldi Suisse als Regionalverkaufsleiterin startete und heute als Buying Director tätig ist. Sie sagt: «Ich glaube nicht, dass die Gen Z keine Lust auf Führung hat – wir denken sie nur anders. Uns geht es nicht um Status oder Macht, sondern um Impact, Sinn und echte Zusammenarbeit.» Sie liebe es, Verantwortung zu übernehmen, Dinge mitzugestalten, gemeinsam mit einem Team etwas zu bewegen, andere zu motivieren und zu unterstützen. «Für mich ist Führung nichts Steifes, sondern etwas Lebendiges und Menschliches.»

Die jungen Führungskräfte bei Aldi erhalten mehr Freiheit bei der Umsetzung von Zielvorgaben, und ihre Ergebnisse werden resultatorientiert bewertet. «Die Generation Z legt grossen Wert darauf, ‹wie› etwas gemacht wird und nicht nur ‹was›. Sie bringt wertvolle Fähigkeiten wie Flexibilität, kreatives Denken, Empathie und eine hohe digitale Affinität mit, die ihr eine neue, aber genauso effiziente Arbeitsweise ermöglichen», lässt sich die Medienstelle von Aldi Suisse zitieren. Um junge Mitarbeitende auf Führungsrollen vorzubereiten, gebe es spezielle Führungskräfteprogramme und gezielte Weiterbildungen. Diese seien wichtig, um die nächste Generation auf Führungstätigkeiten vorzubereiten und ihr das nötige Wissen mit auf den Weg zu geben.

Mit Massnahmen wie Führungsrollen umgestalten, sich für Veränderungen öffnen und starre Traditionen loslassen, wird das Thema für die Jungen attraktiver. Das ist auch dringend nötig, denn ein Blick in die Zukunft zeigt, dass insbesondere in den Chefetagen eine Lücke droht, wenn sich nichts ändert. Die pensionierten Babyboomer verlassen nach und nach die Unternehmen, und gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Arbeitswelt und damit an die Führungsrollen: mehr Tempo, grössere wirtschaftliche Unsicherheit und Spannungen aufgrund der geopolitischen Lage.

Gegen die Managementlücke vorgehen

Das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn prognostiziert, dass in Deutschland bis 2026 rund 190 000 Unternehmen eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger in der Geschäftsführung suchen werden. Wer also nichts tut, wird in ein paar Jahren ein grösseres Problem haben. «Wenn Führungspositionen unbesetzt bleiben oder aus Not an die Falschen vergeben werden, entsteht eine gefährliche Leerstelle: Visionen fehlen, Teams bleiben ohne Orientierung. Mitarbeitende erhalten womöglich ein untragbares Vorbild, und die Unlust auf eine Führungsposition verstärkt sich weiter», sagt Thomas Gygax. Deshalb tun Firmen gut daran, vorauszuschauen, die firmeneigene Führungskultur zu hinterfragen und der heutigen Zeit anzupassen. Thomas Gygax: «Man sollte Führungspositionen neu denken: Führung muss wieder menschlicher werden. Junge Menschen wollen führen, aber dabei sich selbst bleiben dürfen.»

Die Post hat bereits verschiedene Massnahmen ergriffen, um die Nachfolgeplanung und die Entwicklung junger Talente gut strukturiert zu gestalten. Das Unternehmen bietet Schulungen, Mentoring und Coachings an und fördert das interne Netzwerk «Young Voice» sowie das «Junior Advisory Board». Letzteres ist eine Gruppe von jungen Mitarbeitenden, die als Bindeglied zwischen den jungen Generationen und der strategischen Führungsebene agiert und bei strategischen Vorhaben ihre Expertise einbringt. Unbesetzte Führungspositionen können laut Jacqueline Bühlmann, Mediensprecherin der Schweizerischen Post, zu einem Verlust an Effizienz und zu Verzögerungen bei Entscheidungsprozessen führen. Aber sie bieten auch die Chance, neue Organisationsformen zu entwickeln. Sprich: Führungspositionen werden im Team aufgeteilt, oder Modelle wie Co-Leads werden eingeführt. Dies bietet jungen Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich zu entwickeln und Führungsaufgaben zu übernehmen. Bei der Post arbeiten 106 Führungsduos, die sich die Verantwortung teilen.

Die Suche nach den begehrten jungen Fachkräften scheint also nachhaltig Bewegung in Bezug auf Flexibilität in der Arbeitswelt zu bringen. Denn letztlich geht es auch um die Gesundheit: Junge Führungskräfte im mittleren Management sind besonders häufig von Burn-outs betroffen. Denn sie werden von unten und oben unter Druck gesetzt. Deshalb ist bei ihnen die von anderen Generationen oft belächelte Work-Life-Balance besonders von Bedeutung, als Grundlage für ein gesundes Arbeitsleben. Es scheint, dass die Gen Z die erste Generation ist, die das nicht nur begriffen hat, sondern es auch konsequent einfordert.

Copyright: SWISS LEADERS

Wie kann LEODON Sie unterstützen?

LEODON begleitet Unternehmen dabei, Führung neu zu denken. Mit Methoden, die nicht auf Hierarchie, sondern auf Haltung setzen. Gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln wir Führungsmodelle, die zur heutigen Arbeitswelt und zu den Werten der nächsten Generation passen: menschlich, flexibel, sinnorientiert. Ob Potenzialanalysen, Entwicklung von Nachwuchsführungskräften oder Co-Leadership-Konzepte. Wir schaffen Strukturen, in denen junge Talente nicht verbogen, sondern ermutigt werden.

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